Schnipsel 49 | 2013

D A S  Z E I T M A G A Z I N – Ausgabe 49 hat scheinbar einen Fauxpas begangen, der in den verschiedenen Kummerkästen des Netzes beklagt wird: „Eine sehr beeindruckende Fotoserie – die unterbrochen wird von ganzseitiger Parfüm- und Uhrenwerbung „Traum und Ewigkeit“ – was für ein Hohn!!“ oder „Atemberaubendes Beispiel für Unaufmerksamkeit, Mangel an Feingefühl und Zynismus, die intensive schwarz/weiß Fotostrecke mit Opfern von Militärangriffen mit einer PRADA-Werbung zu unterbrechen.“ Was ist passiert? Das Zeitmagazin mit insgesamt gut 26 Seiten Werbung hat es geschafft, dieses Heft mit insgesamt 70 Seiten redaktionellem Umfeld zu einem wahrlich dicken Heft mit 96 Seiten Umfang aufzufüllen. Mit dabei eine Fotostrecke von Paolo Pellegrin über die noch lebenden und verwundeten Opfer eines israelischen Luftangriffes im Gazastreifen vor 5 Jahren. Eine sehr intensive und gut fotografierte Portraitserie, die mich allerdings auch an die Portrait-Bilder in dem Buch „The Book of Destruction“ von Kai Wiedenhöfer erinnern, die dieser schon 2009 im Gazastreifen machte. Aber dies nur so nebenbei. Beim Verteilen des redaktionellen Textes zwischen den Anzeigenseiten kam es nun zu einer Ungeschicklichkeit. Die Anzeigen Strecke für  hochkarätige Uhren, Prada Parfum und die Fashion-Queen vom Nil (ZDF) wurde mit eben diesen Bildern von Kriegsopfern aus dem Gazastreifen unterbrochen. Das geht natürlich garnicht. Man stelle sich mal vor, die ersten 20 (Anzeigen)Seiten in der Vogue oder der Madame würden mit Texten aus der jeweiligen Redaktion aufgemischt. Kein Mensch würde diese Zeitschriften des dokumentierten Überflusses noch kaufen.

Dass das Zeit-Magazin das eigentlich besser kann, haben sie uns schon Anfang November bewiesen. Damals wurde ein ganzes Heft – Ausgabe 46 – konzipiert und gedruckt, um eindrücklich eine Anzeigen-Wüste von Uhrenherstellern und Juwelieren zu layouten. Gleichzeitig wurde zu einer „Schatzsuche“ aufgerufen, an der sich mehr als 1500 LeserInnen beteiligten, schließlich ging es um eine Taucheruhr eines renomierten und Anzeigen schaltenden Uhrenherstellers. Das ist ehrlich. Das ist unterhaltsam und bestes Journatainment. Die Bilder aus dem Gazastreifen zwischen den Anzeigen sind so gesehen auch nur ehrlich. Nun zu fordern, dass diese scheinbare Widersprüchlichkeit besser kaschiert gehört, ist daher ein wenig zu kurz gesprungen. Stellt sich doch sofort die Frage, welche Anzeigen hätten sich denn neben verstümmelten Kriegsopfern besser und den alltäglichen Widerspruch erträglich gemacht. Es zeigt sich ein weiteres Mal, dass es kein richtiges Leben im Falschen gibt – auch nicht im Leben eines Magazins.  

A L L   I N – ist eine Serie des Fotografen Graham MacIndoe und handelt auch von Werbung und vom Verkauf, allerdings von Heroin. Über Jahre hat er – damals noch als Abhängiger – diese rührenden Tütchen gesammelt, die von den Dealern mit Brandings wie „Crooklyn“, „True Romance“ etc in schlichter Stempeltypografie versehen wurden. MacIndoe schreibt dazu auf seiner Homepage: „Lou Reed wrote the song „Perfect Day“ to describe being on heroin, and that’s what every addict chases. But the marketing of that drug, like any product, doesn’t always lead us to what’s promised. These images are a reminder of both the power of desire and the things we as consumers want to believe will somehow change our lives.“ Fragt sich allerdings welche Anzeigen würden hierzu gut passen…

P R E I S A U S S C H R E I B E N – wäre vielleicht auch die ehrliche Bezeichnung für Fotowettbewerbe. Dezember ist dieser Monat, in dem nun viele Fotografen und Fotografinnen an den Rechnern sitzen um sich auszurechnen, welche Bilder für welches Preisausschreiben die richtigen sein könnten. Akut sind im Moment Ausschreibungen wie: Sony World Photography Awards, World Press Photo Contest, Henri Nannen Preis, Hamdan International Photography Awards … Eine gute Übersicht mit Kurzinfos und Links gibt es hier.

G E S C H I CH T E N – erzählen meint heute Storytelling und seit mir mal ein Dokumentarfilmer während einer Jurysitzung des Bremer Filmförderpreises gesagt hat: „Seit ihr Fotografen auch filmt, müssen wir uns ständig schlechte Dokumentarfilme ansehen“ (ich habe mir das sehr zu Herzen genommen) bin ich auf der Suche nach guten Informationen und Weiterbildungsmöglichkeiten für dieses Gebiet. Die Fachhochschule Potsdam bietet nun einen Onlinekurs zum Thema „The Future Of Storytelling“ an. Highly recommended.

H I N W E I S – in eigener Sache: Im November 2013 veröffentlichte das Blog von Kwerfeldein ein langes Interview zum Thema Fotojournalismus und Streetphotography mit mir. Für alle, die es interessiert: hier klicken. Viel Vergnügen!

Ansonsten freue ich mich über den regen Zuspruch zu diesem Blog und über die stetig steigende Anzahl von Lesern und Leserinnen. Vielen Dank auch an all die Verfolger auf Twitter und die vielen RT’s. Wer Kommentare oder Anregungen für meine wöchentlichen Schnipsel hat, schicke bitte eine E-Mail. Danke.

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