Vorweg: es ist ein echtes Bilderbuch. Kein Text nirgends, alle Bilder rundum randlos gedruckt, in guter Qualität, auf – für ein Fotobuch – hauchdünnem mattem Papier. Lediglich der Umschlag birgt so etwas wie ein Impressum und einen Klappentext. Ohne Ruhepause blättert man sich Bild an Bild durch die Enge der Favelas in Rio de Janeiro und das tägliche Leben der dortigen Bewohner: nackte Haut, Tattoos, Schmuck, stramme Sixpacks, schöne Mädchen und Frauen. Es ist heiß, das sieht man den Bildern an und über allem liegt ein Hauch von Sex & Crime. Das pralle Leben der Favelas auf 152 Seiten ohnePunktundohneKomma – in Farbe und in konsequentem Hochformat.
Es ist ein Dokument über diese Stadtviertel einer Stadt, die durch die Fußballwelt-meisterschaft 2014 und durch die Olympischen Spiele 2016 sich sehr verändern, bzw. verändert wird. Schon jetzt sind längst nicht mehr alle diese Stadtteile in der Hand von Gangstern und Drogendealern. Schritt für Schritt werden diese „Schandflecken“ befriedet. Rio de Janeiro macht sich hübsch für die Spiele. Für all diejenigen, die planen nach Rio zu fahren, weil ihre Fußballgötter gerufen haben, sollten sich dieses Buch unter das Kopfkissen legen, dann hören sie vielleicht den wahren Puls dieser Metropole.
Neben all den Danksagungen und Informationen zur Herstellung des Buches stolperte ich über eine Notiz des Fotografen mit der er erklärt, warum er welches Equipment verwendet hat. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass er bei diesem Projekt von der Firma Canon unterstützt wurde, aber die Tatsache an sich überrascht schon. Sinngemäß erklärt er, dass er ein 28mm Objektiv mit Lichtstärke f 1.8 verwendet hat, weil er den Menschen möglichst nah sein mochte und gleichzeitig möglichst viel von der Umgebung (Favelas) mit einfangen wollte. Die Bilder haben aber nichts von dieser Weitwinkeloptik, sondern ganz im Gegenteil, es sieht eher nach einem 50mm Objektiv aus.
Die Erklärung dafür ist denkbar einfach. Wenn man das fast A 4 große Buch durchblättert fällt einem sofort die japanische Broschur auf und nach einigem Hin und Her stellt man fest, dass die scheinbar hochformatigen Bilder gar keine sind, sondern geteilte Querformate, die lediglich von einer Seite (rechts) auf die nächste Seite (links) gezogen wurden. Im Endeffekt sieht man immer nur das halbe Querformat. Aus eins mach zwei. Das ist sehr spannend, mutig und funktioniert erstaunlich gut. Die normaler Weise sehr weitläufigen Querformate werden beschleunigt und ein gewisser Old-School (28mm) Blick wird dekonstruiert. Wenn man sich auf der Homepage von Frederik Buyckx die Bilder über die Favelas als Einzelbilder im Querformat ansieht, wirken diese geradezu langweilig – im Vergleich zum Buch. Seit langem mal wieder ein Fotobuch was Spaß macht, Fragen aufwirft, anregt, Relevanz in sich trägt und auch noch richtig gut gemacht ist. Danke.
Jesus, Make-up and Football, Frederik Buyckx, 21 x 28 cm, 152 Seiten, Lannoo Publisher