World Press Photo des Jahres 2013

Das World Press Photo des Jahres 2013 ist blau und gut. Es ist gut gestaltet, es macht neugierig und wenn man den Kontext kennt, erzählt es auch eine Geschichte – aber nur dann. Ohne Kontext könnte es auch das Bild für alles Mögliche sein, z.B. für das Reiseversprechen eines Telefonanbieters. Das Jurymitglied David Guttenfelder kommentiert es mit den folgenden Worten: “The photo is like a message in a bottle, it is one that will last for all of us. People will bring their own life experiences to it as they stand in front of it.” Ein langer Satz für das Wort Beliebigkeit. So wurde das Foto, und damit auch die Entscheidung, nahezu kritikfrei verkündet. Es scheint als, ob man froh sei, dass das ewige Greul der Welt diesmal nett verpackt und weniger direkt als die Jahre zuvor daherkommt. Es ist blau, schön und irgendwie rätselhaft.

Also doch fast wieder ein Filmplakat nur diesmal ohne die Hilfe von Photoshop (siehe dazu meinen vorherigen Blogpost). Susan Linfield, Mitglied der Jury, nennt den Film als direkte Referenz: “What we’re looking for in the winning image is the same quality you would look for in a great film or in literature—the impression that it exists on more than one level, that it makes you think about things you haven’t thought about. You begin to explore the layers not only of what’s there, but of what isn’t there. So many pictures of migrants show them as bedraggled and pathetic…but this photo is not so much romantic, as dignified.”

Kurz zum Kontext des Bildes: Das Bild zeigt Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa am Strand von Djibouti, die versuchen ein Telefonsignal aus dem benachbarten Somalia zu erhaschen.

Ob dieses Bild nun d a s Bild des Jahres ist, bleibt weiterhin jedem selbst überlassen, so wie all die Jahre zuvor auch. Man muss sich in diesem Zusammenhang (Wettbewerb, Jurierung etc.) klar machen, dass dies eine unter qualvollen Bedingungen erarbeitetes Ergebnis eines Gremiums ist. Also quasi ein ausdiskutierter Mittelweg, der ja bekannter Weise den Tod bedeutet. Wer mehr über das Verfahren bei World Press Photo erfahren möchte, lese bitte den sehr aufschlussreichen Blogpost von David Champbell, der als Sekretär der Jury fungierte und den Auswahlprozess detailiert beschreibt.

Damit ich nicht falsch verstanden werde, ich kritisiere die Entscheidung der Jury mit Nichten. Man kann es einfach nicht allen recht machen und ob ein Wettbewerb den Anspruch d a s Bild des Jahres zu wählen, überhaupt erfüllen kann, bleibt eine ewige und unbeantwortete Frage. Die Frage, die mich umtreibt ist eher, welchen Sinn machen diese Wettbewerbe überhaupt. Das Ergebnis solcher Wettbewerbe ist doch letzten Endes immer eine Mischung aus Lotterie und Geschmacksäußerung und sei die entsprechende Jury noch so hochkarätig besetzt.

Wie schon gesagt, das Bild von John Stanmeyer/VII ist gut. Es zeigt sich aber in der Entscheidung auch eine Grundproblematik des Fotojournalismus in der heutigen Zeit. Einerseits sollen wir FotojournalistInnen Bilder machen die: 1. Geschichten erzählen, 2. für sich selber stehen, 3. gut gestaltet sind, 4. keine Klischees bedienen, 5. uns neugierig machen. Andererseits: Bilder die diese Kriterien erfüllen – so wie die gewählten Bilder der letzten World Press Awards, die uns immer etwas zurufen, sind wir überdrüssig, auch wenn diese vielleicht noch mehr für sich selbst sprechen – als reines Bild ohne Kontext bzw. Bildunterzeile. Das diejährige Bild ist abstrakter, hat somit den Anspruch der Verrätselung – im Sinnes, dass wir zum Hinsehen aufgefordert werden – funktioniert aber als reines nachrichtliches und journalistisches Bild allein nur schwierig (s.o.), da es in seiner Abstaktheit gleichzeitig der Beliebigkeit Vorschub leistet. Allerdings kenne ich auch kein Gesetz, welches vorschreibt, dass ein fotojournalistisches Bild ohne Kontext bzw. Bildunterschrift funktionieren muss. Es scheint ein Dilemma zu sein und wie man’s macht, macht man’s falsch.

Die einfachste Auflösung dieses Dilemmas ist, zu erkennen, dass Fotojournalismus kein Wettbewerb ist, bei dem es darum geht, d a s bessere Bild (als alle anderen) zu machen. Fotojournalismus ist eine Erzählform, die je nach Geschichte und auch je nach AutorIn, Auftraggeber oder Publikation seine eigene Sprache entwickelt. Entscheidend ist, ob die Bilder im Sinne der heutigen visuellen Kommunikation funktionieren und damit ihre Geschichte erzählen, die sie erzählen wollen. Das gute an der heutigen Zeit ist doch vorallem, dass wir weniger Konventionen haben, wie ein gutes journalistisches Bild auszusehen hat. Wettbewerbe, die immer auch einen Trend in der Bildsprache setzten, sind für eine kreative Öffnung und Vielfallt des Fotojournalismus eher hinderlich.

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