Ich habe so viel mit dem Jetzt zu tun…

Interviewreihe: Geld ist nicht alles – aber viel.


Für die Zeitschrift PHOTONEWS führte ich eine Reihe von Interviews zusammen mit Anna Gripp über das Thema Geld und Fotografie. Dieses Mal sprachen wir mit Florentine-Tamina Zuch; geb. 1990, studierte Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover. 2017/2018 arbeitete sie als STERN-Stipendiatin für ein Jahr fest angestellt für das Magazin, Schwerpunkt Porträt- und Reportage-Fotografie.

Auf einer Skala von Eins bis Zehn – wie würdest Du Deine wirtschaftliche Situation als Fotografin heute einschätzen?

Tamina-Florentine Zuch: Fünf.

Konntest Du bereits parallel zu Deinem Studium mit der Fotografie Geld verdienen?

Ja. Das läuft seit drei Jahren, seit meiner Indien-Geschichte, recht gut, deshalb hat sich der Studienabschluss auch etwas verzögert.

Du meinst die Serie „Indian Train Journey“? War das eine Studienarbeit?

Genau. Ich habe 2014/2015 in Indien ein Auslandssemester gemacht und musste in dem Rahmen eine große Arbeit abgeben. Als ich das Ergebnis Prof. Rolf Nobel zeigte, damit er mir die Auslandsreportage anerkennt, sagte er, dass ich die Serie unbedingt dem STERN und anderen Magazinen anbieten soll. Das war mein Start ins Business. Die Geschichte lief supergut, ich war überrascht, wie oft sie gedruckt wurde, und habe die Bilder auch bei Wettbewerben und Ausstellungen eingereicht.

Du hast mit der Serie 2016 den ZEISS Photography Award gewonnen. War das auch finanziell lohnend?

Auf jeden Fall. Ich konnte mir Objektive im Wert von 15.000 Euro aussuchen. Außerdem bekam der Preis, im Rahmen der Sony World Photography Awards, sehr viel Aufmerksamkeit. Mit einer wunderschönen Ausstellung in London und vielen Interviewanfragen, sogar vom BBC. Das war schön zu sehen, wie einen so ein Award weiterbringen kann. In der Folge wurde die Geschichte von weiteren Magazinen gedruckt.

Interview Florentine-Tamina Zuch Photonews Geld ist nicht alle aber viel

Inwieweit hat Geld bei Deiner Überlegung, Fotografin zu werden, eine Rolle gespielt?

Seit meiner Teenagerzeit arbeite ich. Geld war also immer Thema, gleichzeitig aber auch nicht. Denn ich weiß genau, selbst wenn ich mit der Fotografie kein Geld verdiene, finde ich immer einen Job. Irgendwie komme ich schon über die Runden. Aber als ich während des Studiums drei Jahre in einer Bäckerei arbeitete, habe ich gemerkt, dass meine eigenen Projekte viel zu kurz kommen, wenn ich zeitlich und örtlich gebunden bin. Daher habe ich etwas umstrukturiert, supergünstig ­gelebt, und konnte so auf diesen Nebenjob verzichten.

Hast Du Dir schon jemals Gedanken über Altersvorsorge gemacht?

Ich habe so viel mit dem Jetzt zu tun… Und selbst wenn ich mir Geld ansparen könnte, wer weiß, ob das in fünf Jahren noch was wert ist. Es macht für mich keinen Sinn, mich da verrückt zu machen.
Was ich schon überlege, ist, dass ich irgendwann den Master machen möchte. Falls ich mal selber unterrichten will, habe ich mit einem Master bessere Chancen.

War Geld ein Thema an der Hochschule?

Nicht wirklich. Aber es wurde uns schon klar gemacht, dass die Fotografie ein hartes Business ist. Lutz Fischmann von FREELENS war regelmäßig da und hat Kurse u.a. zu Verträgen gegeben, das war schon hilfreich.
Mittlerweile ist das stärker ein Thema an der HS Hannover, auch weil die Studierenden das eingefordert haben.

Aus welchen Bereichen (Editorial, PR, Werbung) kommen Deine Aufträge?

Ich hatte bisher das Glück, an großen eigenen Projekten zu arbeiten und die dann verkaufen zu können. Das hat dann wieder die nächs­te Arbeit finanziert. Viele Fotografen halten sich zum Beispiel mit Hochzeitsjobs über Wasser, aber das wollte ich nie machen.

Du arbeitest seit kurzem als Stipendiatin beim STERN und hast ­damit für ein Jahr ein sicheres Einkom­men, 2.500 Euro brutto im Monat. Ist das ein gutes Gefühl?

Sehr! Wenn man selbständig ist, dann bekommt man vielleicht mal 4.000 Euro für einen Auftrag, das ist ein Batzen Geld, aber vielleicht muss man dann 3-4 Monate davon leben. Und die laufenden Kosten wie Krankenversicherung gehen weiter. Jetzt kommt jeden Monat ­sicher Geld auf mein Konto…

Bist Du in der Künstlersozialkasse?

Ich kämpfe gerade darum, habe mich beworben, das dauert ewig, sollte aber klappen.

Hast Du das Gefühl, dass Du als Frau finanziell benachteiligt bist gegenüber männlichen Kollegen?

Ich glaube nicht. Aber ich muss als Frau eher 120 Prozent geben und dafür kämpfen, für mich alleine wahrgenommen zu werden und nicht zum Beispiel als ‘Freundin von…’. Meine erste Geschichte, die gedruckt wurde, über Hobos, habe ich mit Claudius Schulze fotografiert, der damals mein Freund war. Da hieß es dann oft: Ach ja, deine Freundin fotografiert ja auch. Das hat ewig gedauert, bis ich das losgeworden bin.
Als ich kürzlich beim STERN vorgestellt wurde, hieß es zum Schluss: ‘Und wir freuen uns sehr, dass wir für das Stipendium mal wieder eine Frau gefunden haben’. Das stimmt, aber in so einem Moment zwickt mich das schon und ich frage mich, bin ich jetzt hier, weil ich eine richtig gute Arbeit gemacht habe oder weil ich eine Frau bin?
Aber von der Bezahlung her denke ich nicht, dass ich benachteiligt werde. Oft wird man ja nach Tagessätzen oder Anstrich bezahlt. Und sonst, glaube ich, bin ich recht gut im Verhandeln und sage auch mal: da möchte aber mehr für haben und dann klappt das auch oft. Viele Frauen trauen sich das vielleicht nicht, weil es nicht üblich ist oder weil sie nicht gerne über Geld reden.

Sprichst Du mit Kolleginnen und Kollegen offen über Geld?

Mit manchen geht das, mit anderen nicht. Da ich schon einiges veröffentlicht habe, werde ich oft von Kommilitonen nach Honoraren gefragt. Und ich sage dann: Das wurde mir angeboten, ich habe aber gehandelt und diese Summe rausgekriegt. Also verhandle, die lassen mit sich reden! Es gibt aber auch diese Konkurrenzsituation unter Fotografen, die deswegen aus Honoraren ein Geheimnis machen, was ich unerträglich finde.

Früher konnten Fotografen, Fotojournalisten davon ausgehen, dass ihr Archiv später eine Art Rente sein wird. Wie stellt sich das für Dich dar?

Ich habe immer noch keine Agentur, sondern mache alles selber und bin damit lange gut klar gekommen. Bisher habe ich eher große Geschichten und verkaufe keine Einzelbilder. Aber mittlerweile denke ich schon über eine Agentur nach, weil das einfach so viel Arbeit ist, meine Bilder mit Agentur doppelt gesichert wären und ich unterwegs schlecht auf Bildanfragen reagieren kann.

Das heißt, Du denkst schon darüber nach, Dir über eine Agentur und Zweitverkäufe eine zusätzliche Einnahmequelle zu sichern?

Ja, auch wenn da nicht so viel bei rum kommt. Aber von Kollegen höre ich, dass sie auf diese Weise ein paar Hundert Euro im Monat bekommen, das wäre ja schon gut.

Gibt es andere Bereiche in der Fotografie, von denen Du glaubst, dass es Einnahmequellen sein könnten? Wie Printverkauf…?

Ich habe im März einen Postersale gestartet, das lief voll gut. Ich habe Rundmails geschrieben und das bei Facebook und Instagram gespostet. (Anm. der Red.: Hier der Wortlaut:
Dear friends, would you like to support my future projects by buying one (or more!) of my posters? Five different images are available in 30×50. Special offer: 1 signed pos­ter including postage 45 d, 2 signed posters including postage 80 d, 3 signed posters including postage 105 d, 5 signed posters including postage 150 d). Die Verkäufe haben mich einen Monat lang gerettet.
Und jetzt habe ich noch einen Vertrag für ein Buch, das hat sich durch die Veröffentlichungen ergeben. Es geht um die Hobo-Geschichte, die haben mich gefragt, ob ich darüber schreiben würde. Der Verlag hat mir einen guten Vorschuss angeboten, eine weitere Reise bezahlt und ich werde prozentual Geld von den Verkäufen erhalten. Das ist schon toll, denn wenn man heute als Fotograf ein Fotobuch macht, muss man ja froh sein, mit plus/minus null aus der Sache rauszukommen.

Es geht also nicht um Fotografien, sondern um Text? Woher wusste der Verlag, dass Du auch schreiben kannst?

Für die NZZ hatte ich auch den Text zu den Hobos geschrieben. In dem Buch werden in der Mitte einige Bilder gezeigt, aber es geht vor allem um die Erzählung.
Das ist, glaube ich, eher mein Weg, als mir noch irgendwelche Corporate-Aufträge zu suchen. Also mir mit dem Schreiben ein zweites Standbein zu schaffen und Geschichten auf diese Weise zu vertiefen. Reisen, Leute kennen lernen und das verarbeiten, das ist wirklich mein Ding. Und da habe ich als Frau klar einen Vorteil.

Wann soll der Text fertig sein?

Im November.

Das klingt sportlich, parallel zu Deinem STERN-Stipendium. Abschließend nochmals die Frage nach der Altersvorsorge. Was planst Du hier weiter?

Ich denke es gibt immer viele Optionen. Man muss nur immer machen und machen. Irgendwie klappt es dann schon.

Besten Dank für das Gespräch.

Hier können alle Folgen der Interview-Reihe “Geld ist nicht alles – aber viel” , die in der Zeitschrift PHOTONEWS erschienen sind nachgelesen werden.

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