Andreas Herzau`s photographic travel book records an eight-day journey that he undertook from Calcutta to Mumbai in 2004, and it provides impressive insights into the culture and life styles prevailing in central India. Thanks to the photographer`s sensitive eye, this close up view of India`s complex and stratified society amounts to a fascinating document of reportage and narration.

(FAZ, 2005) “Saris leuchten auch schwarzweißDie Road No.6 ist keine Traumstraße wie die Route66, sondern nüchterne Realität, zweitausendvierhundert Kilometer lang lärmender indischer Alltag zwischen Kalkutta und Bombay. Der Fotograf Andreas Herzau hat die Strecke in acht Tagen mit einem altertümlich anmutenden Ambassador-Taxi zurückgelegt, von Megalopolis zu Megalopolis, einmal quer durch das Herzland des Subkontinents, eine rastlose Reise im gehetzten Rhythmus der Fernfahrer, deren Bilder an der Oberfläche bleiben wollen und sich doch in den Widerhaken der indischen Wirklichkeit verfangen.

Herzaus Fotografien sind wie eine Verweigerung: das trotzige Zurückweisen des europäischen Indien-Bildes, das immer noch mehr mit Hesse zu tun hat als mit der Gegenwart eines aufstrebenden Milliardenvolkes. Er fotografiert schwarzweiß, als sei er der ganzen überfließenden Farbenpracht leuchtender Saris überdrüssig. Er macht Schnappschüsse oft aus dem Wagenfenster heraus, die ihre Motive stillstehen lassen mitten im Moment der Bewegung, als sei sein größter Wunsch, das ewige Getriebe auf Indiens heißen Straßen ein einziges Mal anzuhalten, einzufrieren. Herzau ist nicht an der Schönheit des Landes interessiert, die jedes Maß übersteigt, aber auch nicht am Gegenteil. Seine Bilder sind keine Elendsfotografie, keine schockierende Effekthascherei.

Es sind beiläufige, flüchtige Fundstücke, unpathetische, unspektakuläre, unheroische Aufnahmen aus einem Land, das seit je zur Übertreibung, Dramatisierung und Selbststilisierung neigt. Die nackte Wahrheit freilich soll nicht ans Licht befördert werden, es geht nicht um Entlarvung, sondern nur darum, Indien von seiner latenten Überästhetisierung zu befreien. Aber auch dieser Versuch, den Subkontinent auf ein ballastfreies Normalmaß zu stutzen, muß scheitern. Denn selbst wenn man nichts weiter macht, als seine Kamera acht Tage lang aus dem Autofenster zu halten, kommt ein solch ungeheures Panorama zustande wie in keinem anderen Land der Welt, eine Bilderflut von mitreißender Intensität. Auf der Route 66 müßte man wohl ein Leben verbringen für ein solches Buch.”

DER SPIEGEL, 1997: „Flüchtlingsströme durchziehen die Welt: In Ruanda, Afghanistan, Polen und weiteren acht Ländern sind „50 Millionen Menschen ohne Heimat“, so der Untertitel eines Bildbandes zum Thema Flucht. Millionenfaches, kaum begreifliches Elend, das am ehesten noch durch Bilder, vor allem durch Momentaufnahmen in schwarz-weiß, konkrete Konturen annimmt. Fünf Fotografen der Hamburger Agentur Signum dokumentieren in dem Band den Alltag von Flüchtlingen und Vertriebenen.
Doch der fotografische Blick schweift nicht nur in die Ferne: Verhaftungen an der deutsch-polnischen Grenze und deutsche Abschiebegefängnisse zeigen die Probleme vor der Haustüre. Eindringlich verharren die Fotografen dort, wo Fernsehkameras nicht lange bleiben – und sie appellieren nicht an Voyeurismus, sondern erzeugen Intensität. Kurze Beschreibungen des jeweiligen Konflikts ergänzen die Fotostrecken.“

EXODUS
50 Million on the run
Photographes by Andreas Herzau, Christian Jungeblodt, Russell Liebman, Michael Meyborg, Clive Shirley

Text by Judith Kumin, Hans Christioph Buch, Mark Sealy

208 pages
Softcover
320 x 240 mm

Edition STEMMLE, 1997

„Im Mittelpunkt steht das Ich. Schlicht und ergreifend. Die Inszenierung von Körpern bei der Love-Parade, bei Nazi-Aufmärschen, in Discotheken. Es ist der Moment des Exhibitionismus, den Herzau in seinen Bildern festhält. In vielen Arbeiten geht Herzau so weit, die Person hinter der Inszenierung verschwinden zu lassen. Er zeigt eine Glatze, lässt aber offen, ob sie zu einem Skinhead gehört oder nicht. Er bildet extravagantes Geschmeide an lang gezogenen Ohrläppchen ab, verrät aber nicht, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Beliebigkeit ist Trumpf. Denn auf Geschlechter oder politische Einstellungen kommt es hier nicht an.
Herzaus Bildausschnitte und Perspektiven, seine „Pars pro Toto“-Technik verwirren. Gleichzeitig fokussieren sie den Blick: auf die feucht glänzenden Zungen, die sich im Moment des Kusses treffen, auf die starren Augen der Models in der Minute vor der Entscheidung. Die großflächigen Bilder, in dokumentarischem Schwarz-Weiß oder hochglänzendem Bunt, zelebrieren den Narzissmus, den Spaß am eigenen Körper, die Lust an der Selbstinszenierung. Wer bei der Vernissage am Donnerstag den Blick einmal von den Fotografien nahm und sich im Premierenpublikum umsah, der konnte baden im Pool der Motive: ein Pärchen, das hintereinander, fest umschlungen, im Gleichschritt durch den Saal stolperte, die elegante Dame in den teuren Designerschuhen, immer darauf bedacht, nicht in Berührung mit staubigen Allerwelts-Turnschuhen zu kommen. Das Ich ist überall.“ DER SPIEGEL, 1997

ME, MYSELF + I

Text: Elisabeth Kosok, F. C. Gundlach, U. E. Ziegler

156 pages
340 x 240 mm

100 Images
Hardcover