Max Scheler: Gucken & Erinnern

Im Haus der Fotografie der Hamburger Deichtorhallen gibt es sie noch die guten alten Dinge: Bilder, Fotografien, schwarz und weiß, ordentlich gerahmt und in einer Hängung, die zuweilen an die guten alten Bildstrecken der großen Illustrierten erinnert. Es sind Bilder von Max Scheler entstanden in den 50er und 60er Jahren- sowohl in Deutschland als auch Amerika und in China. Also Bilder der großen teilweise damals noch unbekannten Themen. 25 Jahre, von 1950 an, währte seine Fotografenkarriere, dann wechselte er die Seiten und wurde 1975 Bildredakteur. Damals war die Zeitschriftenwelt in eine Krise geraten und der Markt journalistischer Bilder ordnete sich neu. Dabei begann Scheler seine Karriere schon als Assistent bei Herbert List, war Juniormitglied der Agentur Magnum, Haus-Fotograf des Magazins Stern, er entwickelte maßgeblich die Zeitschrift Geo und leitete die Bildredaktion von Merian. Und trotzdem ist er für viele heute ein unbekannter Fotograf. Das soll sich nun mit der Ausstellung “Max Scheler: Von Konrad A. bis Jackie O.” ändern.

Es ist die erste größere Ausstellung, die dem 2003 verstorbenen Scheler nun gewidmet wird – und es werden vermutlich weitere Ausstellungen folgen. Ist diese doch erst das erste Ergebnis einer mühevollen Arbeit, die die Aufarbeitung eines Fotografenarchives mit sich bringt. Scheler wird im Katalog, der zeitgleich bei Schirmer/Mosel* erschienen ist, als “ziemlich fleissig” bezeichnet. Was einerseits als Hinweis auf die Anzahl, der aufzuarbeitenden Bilder gedacht schien, soll aber auch die Attitüde des Fotografen Schelers unterstreichen, der sich eher als Chronist, Reporter und Fotograf verstanden wissen wollte, denn als Künstler. Die Bilder sind gut – gute journalistische Bilder in der Tradition des damaligen Reportagestil, der den Menschen zum Mittelpunkt erklärte. Das macht die Ausstellung sehenswert.

Interessant wird diese aber vor allem dadurch, dass sie heute gezeigt wird. Fast 30 Jahre nachdem dieser Fotoreporter mit einer bis dahin glanzvollen Karriere das Handtuch schmiss, werden nun seine Bilder wiederentdeckt. So erlebt die gute alte deutsche Fotoreportage in den Zeiten des Umbruchs und der tiefen wirtschaftlichen und konzeptionellen Krise des Magazinjournalismus eine Renaissance – allerdings im Museum. So bekommen diese Bilder, die ja damals gemacht wurden, um den Menschen die große weite Welt näher zu bringen, eine neue Funktion: Sie lassen uns nicht mehr etwas entdecken, sondern sie lassen uns erinnern. So zum Beispiel an die frühe DDR, deren Mauern vor 20 Jahren fielen und die Max Scheler für mehrere Serien bereiste. Und pünktlich zum 60ten Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China sehen wir in der Ausstellung eine Alltagsreportage aus den 60er Jahren, die er damals erarbeitete. Und an noch etwas werden wir erinnert: dass Politiker und auch Prominente sich bei ihrer Arbeit zuschauen ließen. So mutet das Bilder des schwitzenden Adenauer – verglichen mit den Politiker Bildern von heute – wie Portraits aus einer Werksreportage an: authentisch und nahbar.

Ein Kapitel der Schau widmet sich dem Amerika der 50er und 60er Jahre. Neben teilweise skurielen Bildern wie dem Angebot für Atomschutzbunker für das Eigenheim oder einem Malkurs für wohlhabende Pensionäre in Sun Valley sehen wir auch ein Bild von Martin Luther King mit Familie beim Spaziergang auf der Strasse, es wirkt beiläufig, fast familiär. Dies lässt uns realisieren wie lange es brauchte, bis Amerika einen schwarzen Präsidenten wählte und wir erinnern uns, dass die alten Dinge nicht immer nur die guten waren.

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